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Livestreaming in China – was steckt hinter dem Trend?

6 August 2021

Auch Alpine Cabin nutzt seit gut einem Jahr Livestreaming als Verkaufskanal. Welche Veränderung haben wir in den letzten 12 bis 16 Monaten festgestellt? Und was bringt dieser Kanal wirklich?

Wer heutzutage in China seine Produkte verkaufen möchte, kommt um das Thema Livestreaming nicht mehr herum. Spätestens seit dem Beginn der Corona Kriese hat dieser Verkaufskanal an Bedeutung zugenommen. Für 2021 schätzt iimedia (www.iimedia.cn) das via Livestreaming generierte Umsatzvolumen in China mit über 1200 Milliarden yuan, was ca. 168 Mia CHF bedeutet. Auch wenn diese Schätzung übertrieben erscheint, zeigt sie doch eindrücklich den Stellenwert dieses Verkaufskanals.

Beim Thema Livestreaming werden gerne und immer wieder die beiden Top Livestreamer Viya oder Austin «Lipstick King» Li zitiert, welche innerhalb von kürzester Zeit astronomische Mengen an Produkten zu verkaufen vermögen. So hat Viya letztes Jahr bei einem Livestream Event anlässlich der Einführung von Kim Kardashian’s Kosmetikmarke KKW Beauty mehr als 15’000 Flaschen Parfum verkauft.

Als Erstes muss gesagt werden, dass in den Meldungen über die Erfolge des Livestreamings in China in der Regel nur über Umsätze gesprochen wird. Und Zweitens werden regelmässig die beiden genannten Super Influencer Austin und Viya genannt. In der Tat vermögen es diese beiden Influencer, ein Millionenpublikum für ihre Liveshows zu begeistern. Doch verlangen diese Top Influencer von den Markenanbietern sehr hohe Rabatte, damit sie ihrem Publikum die absolut günstigsten Preise für das Produkt bieten können. Zudem verlangen Sie die Bereitstellung von riesigen Lagerbeständen um zu verhindern, dass sie während ihrer Show plötzlich ausverkauft sind. Dies bedeutet für die Anbieter kaum kostendeckende Verkaufspreise sowie ein grosses Risiko, die bereitgestellten Lagerbestände nicht loszuwerden. Letzteres ist besonders bei Produkten mit Ablaufdatum kritisch. Last but not least verlangen diese Top influencer sowohl eine hohe Fixgebühr für die Aufnahme von Produkten in ihren Livestream als auch eine ansehnliche Kommission auf dem Verkaufsumsatz.

Geld verdient also keiner der Anbieter, auch wenn er 100’000 Lippenstifte in 2 Minuten verkauft, oder 15’000 Parfümflaschen in 15 Minuten. Der einzige Nutzen solcher Kampagnen für den Markenanbieter ist die Steigerung seiner Markenbekanntheit. Er kann und muss hoffen, dass ein kleiner Prozentsatz der Leute, die sein Produkt während eines solchen Livestream Events gekauft haben, auch zukünftig seine Produkte kaufen werden, dann jedoch zu den «regulären» Preisen.

Neben den beiden oft genannten Influencern hat sich seit dem Beginn des Booms ein Heer an mittleren und kleinen Livestreamern gebildet. Denn viele junge Chinesen, welche vom grossen Geld träumen, haben sich von findigen Agenturen zu Livestreamern ausbilden lassen und bieten ihre Dienste im Markt an. Natürlich mit weitaus weniger Erfolg als Austin und Viya.

Der durchschnittliche ROI eines Livestreams auf Tmall beträgt aktuell 0.6. Das bedeutet, die Kosten für den Livestream sind fast doppelt so hoch wie der damit erzielte Umsatz. Hinzu kommt, dass durch die steigende Popularität dieses Verkaufsinstrumentes zunehmend «schwarze Schafe» qualitativ schlechte und/oder gefälschte Produkte via Livestream verkauft haben. Dies hat die Behörden auf den Plan gerufen, welche begonnen haben, den Livestreaming Markt stärker zu reglementieren. Der bewährte Ansatz dabei ist es, die Verkaufsplattformen in die Pflicht zu nehmen. Sie werden gebüsst, wenn Livestreamer auf ihrer Plattform gefälschte Produkte verkaufen.

Dies hat wiederum dazu geführt, dass die Plattformen sogenannte MCN’s, also Multi Channel Networks zwischen sich und die Horden von Influencern gestellt haben. Deren Aufgabe ist es, die Qualität der Livestreams sicherzustellen. Gleichzeitig müssen die Markenanbieter heute in der Regel über einen MCN gehen, um einen Livestreamer zu engagieren. Das führt zu noch höheren Kosten, denn die MCN müssen ja auch von etwas leben.

Diese Entwicklung spürt auch Alpine Cabin, wie folgendes Beispiel zeigt:

Im ersten Halbjahr 2020 konnte Alpine Cabin direkt eine Influencerin für einen Livestream engagieren. Die Influencerin war gerade im Aufbau ihrer Followerbase und unser Social Media Team hat sie als «Rohdiamanten» identifiziert. Das Resultat waren 2 Livestreams mit einem ROI von >3. Die zunehmende Bekanntheit der Influencerin führte jedoch dazu, dass wir sie ein halbes Jahr später nicht mehr direkt engagieren konnten, sondern nur noch über ein MCN. Die Kosten für einen Livestream stiegen dadurch. Gleichzeitig sank die Performance der Influencerin, da sie mittlerweile via MCN Livestreams für eine Vielzahl von Produkten machte und ihre Followerbase dadurch heterogener geworden war. Seit kurzem verlangt nun zusätzlich auch die Plattform, über welche die Influencerin ihre Livestreams macht, eine Umsatzkommission dafür, dass wir den Livestream als «offiziellen Markenlivestream» kennzeichnen dürfen. Tun wir das nicht, so darf die Influencerin keine direkte Werbung für das Produkt machen ansonsten der Livestream von der Plattform gelöscht wird.

Fazit:

  • Livestreaming ist zum festen Bestandteil im Chinesischen eCommerce geworden
  • Der überwiegende Teil der Livestreamer hat eine schlechte bis sehr schlechte Performance
  • Mit Livestreaming verdient der Markenanbieter heute kaum noch Geld, da sich mittlerweile viele Parteien in den Prozess eingeklinkt haben

Dennoch sollte Livestreaming eingesetzt werden, nicht primär als Verkaufskanal sondern als Marketinginstrument. Denn es hilft, Produkte und Marken bei den Konsumenten bekannter zu machen. Eine sorgfältige und professionelle Auswahl der Livestreamer ist dabei zentral.

Zudem haben sich aufgrund der beschriebenen Entwicklung viele Anbieter dazu entschlossen, ihren eigenen Livestream Kanal aufzubauen, um damit eine eigene Followerbase anzusprechen. So bietet auch Alpine Cabin seit ein paar Monaten einen eigenen Livestream auf Tmall Global und JD Worldwide an.